QUICKIE DER WOCHE: Das Kurzinterview mit Ashley Dayour (Whispers In The Shadow/The Devil & The Universe)
Von Marko Jakob | 21.04.2020 |
Pix666: Hallo Ashley. Die wichtigste Frage gleich zu Beginn. Bist du gesund und wie geht es dir?
Ashley: Alles okay hier, wir sind ja erst in Woche 6 und nicht 60 😉 Ich als alter Stubenhocker habe einen Vorteil: Es ändert sich wenig für mich. Ich konnte mich schon immer gut selbst beschäftigen. Langeweile ist für mich ein Fremdwort: Es gibt so viel zu lesen, zu sehen, so viele Songs zu schreiben. Meine Lebenssituation ist zum Glück auch sehr gut. Da bin sehr dankbar, dass ich wohne, wo ich wohne, wie und vor allem mit wem.
Mir ist bewusst, dass es da draußen Menschen gibt, für die das die Hölle ist. Allerdings jammern meistens die am lautesten, die nicht mit fünf Kindern auf 60m² leben. DAS sind Probleme! Da wäre ein bisschen mehr Demut und weniger Selbstmitleid angebracht. Aber klar, für Leute in schwierigen Situationen, die um ihre Existenz bangen, hoffe ich, dass wir bald wieder zu einer Normalität zurückfinden. Wie vorher wird es ohnehin nie wieder werden, mittelfristig wird sich einiges ändern. Nicht zwangsläufig zum schlechten. Alles wieder offen.
Pix666: Du hast vor kurzem den Titel ‚Isolation‘ von John Lennon gecovert. Was hat dich dazu bewogen und wie waren die Reaktionen der Fans darauf?
Ashley: Als mich die Leute von Gothicat fragten, ob ich zu ihrem Charity-Event etwas beisteuern möchte, habe ich sofort zugesagt. Aber einfach mit der Akustik-Gitarre in der Küche sitzen und ein Lied trällern oder ein verwackeltes Handy-Video von irgendeinem Konzert von vorgestern, war mir künstlerisch betrachtet zu wenig. Versteh mich nicht falsch, es ist vollkommen okay, wenn das jemand so machen möchte, aber ich war mir selbst schuldig, etwas Besonderes und irgendwie Passenderes zu finden. Ich dachte sofort an eine Coverversion und nach kurzer Suche fiel mir Lennon’s Isolation ein. Isolation von Joy Division wäre vielleicht naheliegender gewesen, weil das mehr dem entspricht, was ich sonst so mache, aber genau das wäre wiederum langweilig und zu offensichtlich. Als jemand mit Gothic-, Post Punk-Wurzeln einen Song von Lennon zu nehmen, ist die größere Herausforderung und für mich was Neues.
Es hat etwas gebraucht, um dem Song seine eigene Klangfarbe zu geben. Außerdem entspricht Lennons Art zu singen nicht meiner eigenen was Phrasierung und Gesangsmelodie angeht. Das war dann am Ende doch wesentlich mehr Arbeit als gedacht ;). Durch den Song haben sich neue Ideen manifestiert, die ich noch umsetzten möchte. Außerhalb des Rock-Kontexts von Whispers In The Shadow oder dem Tribal-Eletronica-Irrsinn von The Devil & The Universe. Kann gut sein, dass da noch mehr kommt – aber nicht zwangsläufig im Zuge von so Corona Dingern. Das Cover war für mich persönlich so etwas wie ein künstlerischer Befreiungsschlag, weil ein vollkommen neuer Ansatz was Instrumentierung und die Art des Gesangs angeht.
(Hier: https://www.youtube.com/watch?v=xBrPeuTp1og)
Pix666: Der Titel war dein Beitrag zum Gothicat Festival, ein Charity Online-Event mit zahlreichen Bands. Fühlt man sich da eher wie im Proberaum, oder spürt man eine gewisse Verbundenheit mit den Fans, während man spielt? Weißt du, wieviel Geld für den guten Zweck insgesamt zusammengekommen ist?
Ashley: Soweit ich weiß, war keiner der Beiträge live. Das wäre technisch ein viel zu großer Aufwand. Auch mein Cover habe ich vorher komplett in meinem Heimstudio aufgenommen und produziert. Edie Calie (die auch für sämtliche Whispers In The Shadow und The Devil & The Universe Videos verantwortlich ist) hatte dann die Idee zu dem kleinen Video Clip. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden rund 6500€ für die United Nation Foundation im Kampf gegen Covid-19 eingenommen. Es kann übrigens noch immer gespendet werden und das gesamte Event ist nach wie vor online. Mit einer ganzen Menge vielversprechender Acts wie etwa Then Comes Silence, Clan of Xymox, Ash Code und viele viele mehr.
https://www.facebook.com/gothicatshop/videos/248624093207048/?fref=mentions
Pix666: Hast du oder habt ihr für die konzertlose Zeit weitere Online-Aktionen, welcher Art auch immer, geplant?
Ashley: Wir haben unsere 20th Anniversary Show, also ein unveröffentlichtes Live-Album als pay what you want hochgeladen (Hier: https://whispersintheshadow.bandcamp.com/music) und mit The Devil & the Universe gab es einen neuen Remix vom Richard_Ewood (hier https://thedeviltheuniverse.bandcamp.com/. Es ist auch ein weiteres Gothicat Charity Event geplant.
Aber ganz ehrlich, ich stehe diesem ganzen Streaming-Wahn eher kritisch gegenüber. Es kann und soll natürlich jeder machen was er möchte und jeder hat so seine Art mit dem Ganzen umzugehen, aber ich finde dieses zwanghafte „Dauergestreame“ etwas befremdlich. Fast so, als hätten die Leute Angst, dass sie nichts mehr wert sind, wenn sie ein paar Wochen Ruhe geben. Es zeigt recht gut, wie weit es mit diesem ständigen „Look at me! Look at me!“ Selbstdarstellungswahnsinn gekommen ist.
Charity-Aktionen schließe ich hier natürlich aus. Da geht es nicht vordergründig um die jeweiligen Egos der Protagonisten. Ich denke, wer nicht auch mal schweigen kann, hat wahrscheinlich später auch nichts zu sagen.
Ich vermisse dabei oft die Qualität: künstlerisch, technisch und was die Kreativität anbelangt. Vieles ist so unglaublich brav und irgendwie langweilig. Ich warte noch auf das Corona Lied / Video mit etwas mehr Kraft und Power. Ich halte dieses Betroffenheitsgetue nur mehr sehr schwer aus und mache einen großen Bogen drum. Wir brauchen jetzt keine Dichter, die traurig im Eck sitzen, drei Akkorde auf der Gitarre zupfen und dabei ernst in die Kamera schauen. Es bräuchte einen Iggy Pop, der dem Ganzen ein lautes „Lust For Life“ entgegenschmettert. Aber um den Rock‘n‘Roll steht es nicht erst seit der Krise schlecht. Leider. Was ich ganz gut finde, sind Aktionen mit unveröffentlichten Songs, Alben, Konzerten. Klar, da bin ich wohl „guilty as charged“ 😉
Pix666: Wie übersteht ein Musiker oder eine Band so eine außergewöhnliche Zeit finanziell? Die Einnahmen für Liveauftritte sind aktuell bei null. Machst du dir Sorgen über die Zukunft, oder denkst du, die meisten Bands werden diese Phase schadlos überstehen?
Ashley: Als Musiker bin ich es gewöhnt mit einer ungewissen Zukunft zu leben. Wäre ich das nicht, hätte ich den falschen Beruf. Leider, das ist die traurige Wahrheit. Die Sache ist die, wenn ich Musik machen will, weil es mir ein Bedürfnis ist das zu tun, weil ich mich künstlerisch und kreativ ausdrücken will und im besten Fall auch etwas zu sagen habe, dann werde ich das tun, egal ob Krise oder nicht, egal ob Geld da ist oder nicht. Wenn mich so etwas aufhalten kann, dann habe ich auf einer Bühne ohnehin nichts verloren und sollte sie jenen überlassen für die sie eine tatsächliche Lebensnotwendigkeit ist und stattdessen z.B. bei einer Versicherung anfangen. Die suchen eh immer Leute die es mehr mit der Sicherheit haben.
Pix666: In Deutschland wird es nun vorerst keine größeren Konzerte geben. Wie sieht es in Österreich aus und hast du zumindest Hoffnung, dass das euer Konzert Ende August in Wien stattfinden kann?
Ashley: Ganz ehrlich nein. Wir werden uns um einen Ersatz-Termin bemühen. Das Konzert war ja auch als Whispers In The Shadow Album Release Show gedacht und da der Release-Termin nicht mehr zu halten ist, werden wir das Konzert verschieben. Auf wann ist noch unklar. Wie so ziemlich alles auf der Welt im Moment. Ich weiß auch nicht, wie es mit den Reisebeschränkungen aussehen wird.
Then Comes Silence aus Schweden, die ich sehr schätze, wären ja auch mit dabei. Die hätten am Vortag einen Gig in Tschechien gehabt, dort sind die Grenzen aber bis Anfang September geschlossen. Das waren zumindest meine letzten Informationen. Ich hoffe natürlich, dass wir bald einen neuen Termin finden. Ob der dann mit dem gleichen Line Up stattfindet, kann ich im Moment nicht sagen.
Pix666: Das letzte Whispers In The Shadow Album ‚The Urgency Of Now‘ ist vor fast genau zwei Jahren erschienen. Wie sieht es mit einem neuen Album aus. Nutzt du aktuell die Zeit, um neue Songs zu schreiben?
Ashley: Das neue Album ist fix und fertig geschrieben, lustigerweise wurde ich mit den Demos genau in der Woche fertig, in der es losging, also vor ca. 6 Wochen. Eigentlich sollten wir uns jetzt im Studio befinden und die Aufnahmen sollten auch schon zur Hälfte abgeschlossen sein. Aber da hat uns der Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sollte es in Österreich aber weiterhin in diese positive Richtung gehen wie im Moment, werden wir bald damit anfangen können. Den eigentlichen Release-Termin Ende August werden wir allerdings nicht halten können, wie oben schon gesagt. Es wird irgendwann im Herbst erscheinen, wenn sich alles entwickelt wie geplant. Musikalisch machen wir damit den größten Schritt seit „Into The Arms Of Chaos“ von 2008. Es wird sicherlich das eine oder andere überraschte Gesicht geben. Was ganz in meinem Sinn ist. Ich halte es auch für eines – wenn nicht sogar das – melodischste Whispers Album. Titel: Yesterday Is Forever.
Pix666: Wie gehen die Menschen in Österreich mit den ungewohnten Vorschriften um? Die Eindrücke, die man aus den Medien erfährt, sind recht positiv. Trägst du selbst auch eine Schutzmaske, wenn du das Haus verlässt?
Ashley: Ein weiterer Beruf neben Whispers In The Shadow ist ja maskierte Ziege bei The Devil & The Universe, insofern bin ich das Maskentragen eh gewohnt und hatte meine Ziegenmaske bereits im Haus 😉
Wie die Menschen damit umgehen, kann ich natürlich nur subjektiv bewerten, da ich ja kaum aus dem Haus gehe. Es scheint, dass der Großteil der Bevölkerung gut damit zurechtkommt und halbwegs diszipliniert ist, auch etwas relaxter als in Deutschland kommt mir vor, zumindest wenn ich mich so auf Facebook umschaue und das vergleiche. Natürlich gibt es auch Kritik an den Maßnahmen und die muss natürlich immer erlaubt sein und ist in manchen Dingen durchaus nicht unberechtigt.
Wenn die Kritik allerdings einzig der Eitelkeit des Kritikers dient, ist sie unangebracht. Sowas konnte man in den letzten Wochen durchaus immer mal beobachten. Da ging es plötzlich nicht um die Sache an sich, sondern dass der andere unrecht hat. Die Welt wird nicht an einem Virus zugrunde gehen, sondern an aufgeblasenen Egos, Ignoranz und Mangel an Empathie. Da braucht man sich nichts vormachen. Selbstverständlich wird man sich anschauen müssen, dass diese Beschränkungen wieder zurückgenommen werden, wenn es etwas besser wird. Muss man sich Sorgen um die Demokratie machen? Als Demokrat immer! Nicht nur in Krisenzeiten. Aber Horrorszenarien vom Polizeistaat etc. heraufzubeschwören, halte ich für übertrieben. Der oberste Gerichtshof macht in Österreich gute Arbeit, was man vor allem in der Zeit der unsäglichen FPÖ (unsere rechts außen Partei, die gerne mal auf Ibiza Party feiert) gesehen hat. Und es gibt auch noch eine Opposition, von Ungarn sind wir weit entfernt. Ich glaube wir waren einfach alle von dem Ausmaß überrascht und haben das unterschätzt.
Pix666: Auf welche materiellen Dinge im Leben kannst du am Wenigsten verzichten? Bei welchen Artikeln würdest du am ehesten zum ‚Hamsterkäufer‘ werden?
Ashley: Da die Versorgung ja niemals in Gefahr war, habe ich auf Hamsterkäufe verzichtet, allerdings wird nur ein- bis max. zweimal die Woche eingekauft. Aber wenn du mich fragst, dann tippe ich auf Schokolade.
Aber hier gibt es ohnehin immer einen riesigen Vorrat. Der Rekord liegt bei mehr als 40 Tafeln. Ich versuche auch auf jeder Konzertreise Schokoladen aus den betreffenden Ländern mitzunehmen. Da kommt einiges zusammen. Mein absoluter Fave ist übrigens Tony’s Chocolonely aus Holland. Kann ich nur allen Schokotigern empfehlen. Die gibt es mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum. Try it! You‘ll thank me later!
Pix666: Was wird das Erste sein, was du tun wirst, wenn das ‚normale‘ Leben zurückgekehrt ist und die Beschränkungen gelockert werden?
Ashley: Ich glaube nichts anderes als im Moment auch. Ich weiß nicht, ob das erschreckend oder erleichternd ist. Ich denke noch drüber nach ;). Bis es wieder zu Konzerten kommt, wird es natürlich dauern. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich dieses Jahr überhaupt noch eine Bühne sehen werde, wenn ich ehrlich bin. Natürlich hoffe ich drauf. Und das nächste Mal werde ich eine Bühne mit einer derartigen Spiellaune betreten, wie überhaupt noch nie, soviel steht fest. Das, was ich auf jeden Fall machen werde, ist so bald wie es möglich und vernünftig ist ab ins Studio und mit den Aufnahmen zum Whispers Album beginnen, damit dieses noch dieses Jahr erscheinen kann.
Pix666: Vielen Dank für die interessanten Antworten – Bleib gesund und hoffentlich bis bald auf Tour!
Ashley: Das werden wir, da bin ich mir sicher. Danke auch und Alles Gute!
WHISPERS IN THE SHADOW:
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THE DEVIL & THE UNIVERSE:
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Bandcamp: https://thedeviltheuniverse.bandcamp.com/
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