von Marko Jakob
Pix666: Hallo Renè. Die wichtigste Frage gleich am Anfang. Wie sieht es gesundheitlich bei dir aus?
Renè: Mir ist der ganze Corona – Wahnsinn wahrscheinlich sowohl physisch-seelisch, als auch
psychisch auf den Magen geschlagen. Z.Zt. liege ich tatsächlich im Krankenhaus, weil ich anscheinend Blut kotzen musste und warte nun über Ostern seit zwei Tagen auf die Magenspiegelung, da erst Dienstag die entsprechenden Plätze wieder besetzt sind.
Pix666: Ihr wart gerade unterwegs auf Tour, als das Virus sich auch in Deutschland zu verbreiten begann. Bis fast Mitte März habt ihr live gespielt, bevor ihr die Tour abbrechen musstet. Wie nimmt man als Musiker eine solche Situation wahr? Überwiegt das das Verständnis, oder die Enttäuschung?
Renè: Das ist eine sehr gute Frage. Und bevor ich die beantworte, will ich vorausschicken, dass ich jede persönliche Art und Weise, wie damit umgegangen wurde und jetzt auch wird, respektiere.
Jeder Mensch hat seine eigenen Grenzen, seine eigenen Ängste und Bedenken. Die sollte man jedem lassen, ganz nach dem Motto: Leben und leben lassen. Ich persönlich habe das Ganze anfänglich sehr gelassen gesehen. Ich dachte an irgendwelche Lobbyisten, wobei mir nicht wirklich einfiel wer davon profitieren konnte.
Alles in allem war es so surreal für mich, dass ich es nicht wirklich ernst nehmen konnte. Ich wollte die Tour bis zum Schluss durchziehen, habe aber jeden verstanden, der Angst hatte, und musste mich so unserem Schicksal beugen.
Heute denke ich mehr in Richtung: Angst haben war wohl angebracht. Obwohl im Altenkirchener Krankenhaus z.B. kein einziger Corona-Patient liegt. Die Enttäuschung über den plötzlichen Tourabbruch war wirklich sehr gross, aber das Verständnis für die Angst der Menschen, die ja auch mit allen Mitteln geschürt wurde, war dann am Ende doch grösser.
Pix666: Vor euch liegen wunderbare Festivalauftritte, z.B. Plage Noire und Amphi Festival und natürlich die auf Herbst verschobene Fortsetzung eurer Clubtour. Wird es bis dahin eine Rückkehr zur Normalität geben, oder befürchtest du, man wird in diesem Jahr keine Livekonzerte mehr zu sehen bekommen?
Renè: Also ich rechne ganz ehrlich mit allem – einfach, weil es keine klaren Aussagen gibt.
Wir haben uns alle sehr früh schon auf das Plage Noire Festival gefreut, weil wir schon so viel Gutes davon gehört haben und noch nie dort waren. Und dann sowas! Es müsste schon ein Wunder passieren, wenn es nicht verschoben wird. Auch der Amphi Festival -Termin, wo wir nun schon zum zweiten Mal spielen würden, ist meines Erachtens wohl eher unwahrscheinlich.
Ich glaube auch nicht, dass eine Art Normalität mit den ersten wieder erlaubten Konzerten eintreten wird. Ich glaube eher, dass es die einen gibt, die total abfeiern, als gäbe es kein Morgen, aber auch die anderen, bei denen die Angst immer noch tief sitzt und die deshalb viele Verhaltensweisen, die gerade einstudiert werden, nicht einfach wieder loslassen können.
Und dann käme dazu noch die spezielle Situation, dass ja alle Bands ihre Shows nach hinten schieben müssen… und es dadurch eine Zeit des Überangebots geben wird, in der sich viele Leute wohl nicht entscheiden können, wo sie nun hin gehen… wenn sie überhaupt schon bereit dazu sind. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass Konzerte dieses Jahr noch stattfinden werden!! Ich kann aber leider nicht sagen, dass ich beim jetzigen Stand (Ostern 2020) fest daran glaube. Hoffen tue ich es schon.
Pix666: Wie haltet ihr aktuell Kontakt zu den Fans – habt ihr da irgendwelche Aktionen im Internet geplant?
Renè: Da kann ich gleich mal aufzählen, was bei Heldmaschine schon alles passiert ist:
Als wir wegen des Tourabbruchs -ausgerechnet am Freitag dem 13.!- völlig niedergeschlagen Richtung Heimat rollten, waren wir natürlich noch voll auf das Tourleben geeicht und konnten es überhaupt nicht fassen, dass es das jetzt gewesen sein sollte. Wir hatten alle richtig Bock, live zu spielen… und so kam die Idee auf, eine Bühne plus Instrumente in unserer Halle aufzubauen und ein komplettes Livestreaming – Konzert zu spielen! Noch am selben Tag haben wir also alles aufgebaut, und noch während der Fahrt hat sich unser Lichtmann Nicolo zusammen mit unserem neuen Tonmann Marcus voll ins Zeug geschmissen, was die Livestream-Uebertragungstechnik angeht. Dabei haben sie mit unserem Produzenten Tom hin und her telefoniert und alles in die Wege geleitet.
Alle haben einen Mega-Job gemacht – und es hat dann am 14. März abends um 20:00 auch noch funktioniert! Unser komplettes Livestream-Konzert ist auf unserem Youtube-Kanal übrigens immer noch zu sehen ! ( –> https://youtu.be/NfYMXgMtOgA )
Das geht natürlich jetzt auch nicht mehr, denn die Halle ist nicht so gross, dass wir alle die zwei Meter Mindestabstand einhalten können…
Daher ist momentan Dirk, unser schönster Drummer, derjenige, der aktuell mit einer einstündigen Radiosendung jeden Samstag Abend um 20:00 auf Youtube die Fans bei der Stange hält. In der Radioshow spielt er hauptsächlich Bands, mit denen wir zu tun haben, die uns symphatisch oder mit denen wir befreundet sind. Dazu gibt es dann noch einen sehr postiv angenommenen, internationalen Live-Chat mit den Fans und der Band, und so haben auch wir auf dem Schirm, was die Leute da draussen bewegt, was sie gut finden, wie sie gerade so drauf sind usw.
Weitere Aktionen kommen bestimmt… denn dafür ist die Heldmaschine ja bekannt. Aber das wollen wir an dieser Stelle nicht gleich alles verraten. 😉
Pix666: Für viele bricht derzeit die einzige Einnahmequelle weg, natürlich auch in vielen Bereichen rund um’s Musikbusiness. Denkst du, dass dieser Corona-Krise einige Bands oder Clubs zum Opfer fallen werden?
Renè: An dieser Stelle leider ein klares JA!
Ich bin mir nicht sicher, in welchen beliebten Clubs wir zukünftig noch spielen werden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das selbst überstehen, je nachdem wie lange es dauern wird. Es wird uns alle hart treffen, aber am meisten die, die nur von der Musik leben. Dazu gehören wir leider zum grössten Teil auch.
Pix666: Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf dein Privatleben aus? Was machst du oder ihr anders als vorher?
Renè: Ich lasse mich darauf ein, dass nun alles runtergefahren wird. Man hat ja auch gar keine andere Wahl, und gleichzeitig merke ich, dass es auch mal nötig war. Ich versuche, mich sportlich mehr zu betätigen, zumal komplette Live-Shows spielen ja auch ein richtiger Sport ist, der jetzt aber plötzlich wegfällt. Und dann ist da noch der Körper, der in der aufgedrängten Ruhe plötzlich hörbar wird. Das zu ignorieren wäre wohl auch ein Fehler.
Vielleicht hat der Wahnsinn auch was Gutes, denke ich dann immer wieder. Vielleicht wäre ich ja ein halbes Jahr später einfach umgefallen, oder sonstwas wäre passiert.
Auch freut es mich sehr, und ich geniesse es auch sehr, dass man von der Scheiss-Afd nicht mehr viel hört. Wie soll eine asoziale Partei zu sozialen Fragen auch einen Text haben? Sehr schön, das zu beobachten. Aber auch die Menschen um einen herum werden irgendwie menschlicher. Gut – andere wiederum ganz und gar nicht, aber die, von denen ich denke, dass sie richtig ticken, werden noch cooler.
Pix666: Machst du dir Gedanken über die Welt nach dieser Krise – wird die Menschheit sich vor allem moralisch verändern?
Renè: Wer tut das nicht?
Aber auch hier ist es schwierig, irgendwelche Prognosen loszutreten, zumal man ja viel zu wenig Ahnung von der Weltwirtschaft hat. Man kann also nur die Ängste. die man selber hat, aufzählen. Aber ich will auch nichts schüren, was am Ende dann doch nicht passiert, nur um sagen zu können: Siehste – Ich habe Recht gehabt… wie es leider viele Menschen tun.
Ob ich am Ende Recht hatte oder nicht, geht mir wirklich am Arsch vorbei. Im Moment ist einfach alles in Bewegung und ich vermeide es, mir reisserische Nachrichten anzusehen. Ich bin froh, dass ich gerade keine Bildzeitung vor die Nase gelegt bekomme, wie oftmals in der Bäckerei oder Tankstelle. Meine Gedanken und Befürchtungen gehen in alle möglichen Richtungen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, schwarz zu malen, sondern die Menschen zu unterhalten 😉
Was die Moral betrifft, so hoffe ich doch dass unsere Nummer ,Alles Eins‘, die auf unserem 2016er Album ,Himmelskörper‘ erschien, nun von Vielen mit anderen Ohren gehört wird… Oh, dazu fällt mir doch spontan ein:
Corona kennt keine Grenzen,
Kein arm und reich,
Kein schwarz und weiss,
Am Ende sind wir alle gleich
Und damit alle Eins
fck afd – Amen
Pix666: Nochmal kurz zurück zum Thema Musik. Ist diese Krise mit all ihren Facetten vielleicht Inspiration für zukünftige Lyrics?
Renè: Wie in meiner vorherigen Antwort schon zu sehen ist: Ja, das ist sie tatsächlich 😉
Ich würde mich aber davor scheuen, ausschliesslich über dieses Thema zu schreiben.
Zum einen werden das sehr viele Kollegen ebenfalls tun. Und ich denke auch, dass die Leute da draussen eher hungrig sind auf Songs, die einen davontragen von diesem Wahnsinn. Sie wollen zur Musik feiern, und nicht ständig dazu animiert werden, an Probleme zu denken.
Es wird bestimmt das ein oder andere ,rausrutschen, aber grundsätzlich versuche ich es lieber zu vermeiden. Man hat einfach jetzt schon zu viel davon gehört, finde ich.
Danke für die guten Fragen, und dafür, dass der Krankenhausaufenthalt etwas kurzweiliger wurde. 😉
Danke an alle Fans, die bei uns bleiben, ihre Karten behalten, Merch kaufen und auch die Kollegen unterstützen. Ihr seid die Besten :-*
Pix666 :Ich bedanke mich, für die Zeit, die du dir genommen hast und für die interessanten Einblicke – Wir wünschen viel Gesundheit und hoffentlich bis bald auf Tour!
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https://www.youtube.com/heldmaschine
von Marko Jakob
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