QUICKIE DER WOCHE: Das Kurzinterview mit Norman Siegel (Haven) Mai 2020

von Marko Jakob


Pix 666: Als erstes danke ich dir, dass du dir Zeit für das kleine Interview genommen hast. Wie geht es dir, bist du fit und gesund?

Norman: Ja, Danke! Zum Glück ist bei mir und auch in meinem Umkreis gesundheitlich alles in Ordnung.


Pix 666: Was hältst du von den aktuellen Live-Streaming Konzerten, die das Internet überfluten? Hat sowas Zukunft, oder wird das im Laufe der Zeit wieder stark nachlassen?

Norman: Ich denke, am Ende kann Nichts das Erlebnis und Gefühl eines Live-Konzerts ersetzen – ob für das Publikum oder auch die Musiker selbst. Für die momentane Situation ist es eine kreative und innovative Lösung, mit der Künstler den Menschen überall etwas Ablenkung und Unterhaltung bieten können. Ich denke aber, sobald es wieder möglich ist, werden reguläre Konzerte wieder die Oberhand gewinnen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Livestream-Optionen in Zukunft öfter bei regulären Konzerten mit genutzt werden, um z.B. Regionen in der Welt zu erreichen, in denen die Künstler seltener auf Tour gehen … oder für Fälle, in denen man etwas Spezielles machen möchte für eine Show und sich das dann besser ohne Publikum abfilmen lässt – z.B. in einer besonderen Location. Da gibt es sicherlich kreative Möglichkeiten, auch für die Zukunft.


Pix 666: Habt ihr auch schon eine solche Streaming-Session gemacht oder habt ihr es noch vor?

Norman: Bisher haben wir das nicht gemacht. Es gibt in Berlin ein paar mediale Initiativen, die selbst in professioneller Produktion Livestreams von Konzerten machen. Da habe ich für uns schon angefragt, ob wir teilnehmen können. Denke aber, da ist die Nachfrage seitens der Bands groß und es werden erst mal bekanntere Künstler präferiert.

Wir von HAVEN haben aber im Hinterkopf, zum Release unserer neuen EP eine Live-Session selbst zu organisieren und zu filmen und dann zwar nicht unbedingt live, aber als geschnittenes Video im Nachhinein zu veröffentlichen.


Pix 666: Ihr habt Ende März den Videoclip zum Song ‚Agrestes‘ veröffentlicht – ein Livevideo. Man sieht euch dort an, dass die Bühne eure große Leidenschaft ist. Wie sehr vermisst ihr momentan das Live-Gefühl?

Norman: Durch die Situation ist uns als Band bisher nur ein geplantes Konzert verloren gegangen. Daher ist es noch aushaltbar. Aber ich kann für mich sagen, dass ich es ziemlich vermissen würde, wenn wir z.B. dieses Jahr gar nicht mehr live spielen könnten, weil sich nichts an der aktuellen Situation dahingehend verändert. Ich denke, da geht es meinen Bandkollegen ähnlich. Live spielen ist definitiv die Essenz bei uns.

Gerade für mich – weil ich den körperlichen Aspekt bei einer Live-Show sehr verinnerliche: die Mischung aus Bewegung, dem Moment auf der Bühne, der Lautstärke und der Intensität, die ich brauche, um mich dann durch meine Stimme und Bewegungen auszudrücken. Es spielen da performative Dinge eine Rolle, die mir persönlich sehr wichtig sind – und es ist eine Art Ausdruck des Selbst, das ich so nirgends anders im Leben bekomme. Daher würde mir das auf Dauer massiv fehlen.


Pix 666: Für den 19.09.2020 ist nun euer nächster Liveauftritt angesetzt. Hast du Hoffnung, dass das Konzert stattfinden wird?

Norman: Nun, das ist so ein wenig ein Schuss ins Blaue. Man weiß es nicht und es ist schwer einzuschätzen. Hoffnung habe ich definitiv, weil evtl. die kleineren Veranstaltungen bald wieder gehen, wenn das Publikum z.B. mit Masken vor Ort ist. Aber ich denke, wir müssen da alle abwarten und dann spontan reagieren, je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. Etwas fest zu planen ist nicht möglich, aber man muss es dennoch probieren, wenn man dann Konzerte spielen möchte. Wir hatten unsere Planung dieses Jahr auf den Herbst und Winter konzentriert. Ich hoffe, das wird möglich sein.



Pix 666: Wie hältst du zurzeit Kontakt mit der Familie oder Freunden – und auch mit den Bandkollegen, welche technischen Möglichkeiten nutzt du da so?

Norman: Wir in der Band haben öfter schon Tools für Video-Chats benutzt. Das geht recht gut und man sieht sich wenigstens auch dabei – also immerhin etwas! Für meinen Job nutze ich diese Option auch öfter. Da gibt es einige Tools die gut funktionieren. Dazu gibt es nebenbei schon auch noch ein paar Leute, die ich privat treffe. Dann aber eben nur zu zweit und mit Vorsicht.


Pix 666: Für viele Menschen hat sich das Arbeits- und Privatleben stark verändert. Was sind für dich persönlich die gravierendsten Veränderungen oder Einschränkungen?

Norman: Ich bin tatsächlich noch relativ gut mit der Situation momentan – auch, da es ja „erst“ knapp 2 Monate so geht. Ich arbeite im Medienbereich bei einem Start-Up, was sich neben Grafikproduktion und Videoarbeit tatsächlich auf eher kleinere Livestreams spezialisiert hat. Es hat sich viel auf Home-Office verlagert. Das geht bei meiner Arbeit zum Glück in vielen Punkten. Ab und zu arbeite ich aber auch noch „draußen“, wenn die Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden können.

Privat fehlen mir Kultur-Veranstaltungen oder Besuche in Restaurants, die ich gerade nicht wahrnehmen kann. Das ist da der Einschnitt, der sich am meisten bemerkbar macht. Rausgehen, spazieren usw. kann man zumindest für sich ja noch wahrnehmen.


Pix 666: Durch Kontaktverbot und Ausgangsbeschränkungen ist der Aktionsradius stark eingeschränkt. Hast du – außer Musik – noch andere Hobbies, die man gut zu Hause in den eigenen vier Wänden ausüben kann? Sind vielleicht in den letzten Wochen neue Hobbies dazugekommen?

Norman: Ich hatte mir vorgenommen, meine Fitnessübungen regelmäßig zu machen. Muss leider gestehen, dass das nur mäßig klappt. (lacht)
Da gäbe es also noch mehr Raum für Disziplin. Noch dazu hilft mir das dann auch für meine Performance auf der Bühne. Ansonsten bin ich relativ interessiert an zeitgenössischem Tanz. Das kann man zu Hause auch zumindest etwas für sich machen. Da gibt es auch mittlerweile Kurse, die über Video-Calls funktionieren.
Wirklich dazugekommen ist aber nichts bei mir. Man erwischt sich eher dabei, dass man noch tiefer das Internet durchstöbert nach Dingen die einen interessieren.


Pix 666: Im Oktober 2018 habt ihr eure Debut EP ‚Anima‘ veröffentlicht. Die viele Zeit ist nun natürlich gut dazu geeignet, jede Menge neue Songs zu schreiben. Arbeitet ihr, wie viele andere Bands auch, an neuem Material und wird es bald ein Full-Length Studioalbum von Haven geben?

Norman: Wir schließen gerade die Arbeiten an unserer zweiten EP ab. Die wird „Vessel“ heißen. Angefangen hatten wir damit schon in der Zeit vor dem Virus und wir sind gerade am letzten Schliff. Bald wird die EP also für alle hörbar sein. Nebenbei nehmen wir uns auch hier und da Zeit, um neue Songs zu beginnen. Ich denke, das wird nach der Veröffentlichung der EP sicherlich noch mehr werden können. Wann wir ein komplettes Album zusammen haben, bleibt aber noch abzusehen. Unsere Songs sind immer gespickt mit relativ viel Details, Struktur und Veränderungen im Song selbst. Dafür nehmen wir uns gerne etwas Zeit. Aber wir haben definitiv einige Melodien, Riffs und Songideen parat, die wir in naher Zukunft angehen werden bzw. die wir schon angegangen haben.


Pix 666: Welche Auswirkungen hat diese Krise auf die ‚Bandkasse‘ bei HAVEN?

Norman: Das ist glücklicherweise ein Faktor, der sich bei uns nicht wirklich bemerkbar macht. Wir sind noch nicht auf einem Level, wo wir auf Einnahmen aus der Band angewiesen sind. Hier und da bestellen Leute online unsere EP oder ein T-Shirt, was uns natürlich hilft z.B. die Kosten für die zweite EP mitzutragen. Insgesamt merken wir hier aber keine Einschnitte. Alles ist DIY-finanziert. Wenn wir Konzerte spielen, ist das auf unserem Level auch meistens ein Ding, bei dem man am Ende eher auf Null rauskommt.


Pix 666: Seit dem 27.04.2020 ist in Deutschland Maskenpflicht. Was hältst du davon? Wie ist allgemein die Stimmung in der Bevölkerung in Berlin/Potsdam?

Norman: Ich bin so eingestellt, dass ich da solidarisch rangehe und mir denke, dass die Empfehlungen und Lösungsversuche die wir präsentiert bekommen, einen Sinn machen. Ich werde das also weiterhin respektieren und umsetzen. Die Maske gehört jetzt dann eben mit dazu – in Berlin und Potsdam vor allem in U-Bahnen und Supermärkten. Ist nicht so eine riesen Sache, dass man sich dagegen sträuben müsste. Ich merke auch nicht wirklich, dass die Menschen hier deutlich anders drauf wären als sonst. Natürlich fehlen hier und da Leute auf der Straße weil Cafés und Restaurants geschlossen sind und man in Parks nicht in Gruppen beisammen sein darf usw.

Aber die Stimmung, die ich mitbekomme, ist relativ entspannt. Es gibt sicherlich auch Leute, die allem merklich argwöhnischer gegenüberstehen und die Situation gerne aufreiben würden, aber noch löst sich das in der Menge auf, die solidarisch miteinander umgeht und diese Zeit gerne bald hinter sich bringen würde.


Pix 666: Bist du ein ‚Hamsterkäufer‘ – oder anders gefragt, welche Dinge sind dir im Leben so wichtig, dass du davon am Liebsten immer einen Vorrat zu Hause hättest?

Norman: Nein. Ich kaufe keine Hamster in dieser Zeit. (lacht) …
Die wichtigsten Dinge für mich im Leben kann ich mir nicht als Vorrat anlegen, weil sie nicht zu den materiellen Dingen gehören. Da geht es eher um Gefühlswelten, Erlebnisse, Erfahrungen und Momente die das Selbst ausdrücken. Das kann ich mir nicht wirklich kaufen.

Diese Art und Weise ist so ein typisches, menschliches Phänomen worüber ich mich einerseits amüsieren kann, aber auch merke, wie gesteuert von Angst wir als Masse sind. Sobald Dinge aufkommen, die man nicht greifen kann, gehen die Alarmglocken an und man vertraut seinem Gegenüber noch weniger als sonst und denkt nur noch an sich. Das mag menschlich sein, zeugt aber auch davon, dass man sich nicht völlig mit der Situation und ihren Auswirkungen auseinandergesetzt hat.

Ich habe bisher nix angehäuft und habe letztlich auch nicht ohne irgendwas dagestanden deswegen. So lange ich was zu Essen habe und meine kühle Mate, komme ich auch nicht an einen Punkt, an dem ich durchdrehen muss. Nimmst Du mir aber meine Mate weg… dann garantiere ich für nix. (lacht)


Pix 666: Danke für die interessanten Antworten. Bleib gesund!


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photos © Krousky Peutebatre Pictures, Henrik Pfeifer Photography